![]() | Bernhard Coppel Johannes Franciscus Ripensis und der Einfluß des "praeceptor Germaniae" auf Wissenschaft und Geistesleben in Skandinavien |
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In den letzten Jahren hat die Forschung die lange übersehenen Verdienste Melanchthons um die Naturwissenschaften [1] in den Blick gerückt und damit das Wirkungsprofil des akademischen Lehrers, der vier Jahrzehnte in zwei Fakultäten, bei den Artisten und den Theologen, tätig war, um eine ganz wesentliche Seite erweitert. Schon in der vorreformatorischen Literatur des frühen 16. Jahrhunderts finden sich Vorläufer für eine Aufgeschlossenheit und Annäherung an die Wissenschaften. Conrad Celtis hat die Vereinigung von Musen und Wissenschaften propagiert, Maximilian hat im Jahre 1501 mit der Gründung des Wiener "Collegium poetarum et mathematicorum" einen organisatorischen Rahmen für Celtis' Idee geschaffen. [2] Bei Melanchthon ist es dann zu einer zusätzlichen Annäherung an die Wissenschaften auf dem Wege über die Theologie gekommen. Die wichtigste Naturwissenschaft ist für Melanchthon die Medizin gewesen. Mit seinen insgesamt 19 Declamationes [3] , die ausschließlich medizinischen Inhalt haben, und mit seinem Lehrbuch De anima, das trotz seiner psychologisch-anthropologischen Grundausrichtung auch umfangreiche anatomische Lektionen enthält und mit seinen zahlreichen Auflagen für mehrere Studentengenerationen angehender Mediziner in einem großen Verbreitungsgebiet zum anatomischen und physiologischen Vademekum schlechthin geworden ist, hat sich Melanchthon auch in einer dritten Fakultät, der Medizin, den Ruf einer wissenschaftlichen Autorität erworben, eine Konvergenz-Entwicklung, die zwangsläufig die Gefahr in sich barg, daß die kleine medizinische Fakultät, die nur über zwei Ordinariate verfügte, "in Wittenberg immer tiefer in den Schatten der Theologie geriet". [4] Getreu seinem in der Antrittsrede vorgetragenen Programm, die Studien der Jugend zu reformieren, [5] d.h. die Sprachen und Wissenschaften aus dem unverfälschten Geist der Antike zu erneuern und von den scholastischen Verfälschungen zu befreien, hat Melanchthon maßgeblich daran mitgewirkt, auch die Medizin zu erneuern. Arbeitsgrundlage der humanistischen Medizin waren neu edierte Originaltexte der antiken medizinischen Autoren. Das Ziel war ein möglichst vollständiges und unverfälschtes Verständnis der Anatomietexte Galens einschließlich der Ergänzungen und Verbesserungen durch Wissenschaftler der italienischen Renaissance. Melanchthons Talent, "das Wesentliche zu erfassen und in klare, verständliche Formeln zu gießen" - nach den Worten von Manfred Fuhrmann [6] die größte Gabe des Traditionsvermittlers Melanchthon - ist auch dem Lehrbuch De anima zugute gekommen.
Nun war Wittenberg aber nicht nur das Zentrum der lutherischen Reformation und Wirkungsstätte des Wissenschaftsenzyklopädismus Melanchthons, sondern zugleich der neue Helikon humanistischer Dichtung in der lutherischen Hemisphäre. Luther selbst brachte seine Wertschätzung der studia humanitatis u.a. mit eigenen lateinischen Gedichten zum Ausdruck, von denen Udo Frings in seiner Arbeit "Martinus Lutherus - Poeta Latinus" [7] einige vorgestellt und interpretiert hat. Melanchthons Bewunderung für Luthers Fähigkeiten auf dem Gebiet der Dichtung versteht man bei der Lektüre so bemerkenswerter Texte wie einer Martialrezeption über das Thema, was das Leben glücklicher macht (Martial 10,47), [8] oder eines Quellgedichts, das in einer von Horaz inaugurierten Gattungstradition steht. [9] Wie Luther in seinen poetischen Parerga ganz er selbst bleibt, Theologe und Reformator, so gewinnt auch Melanchthon in seinem wesentlich umfangreicheren poetischen Werk, das einschließlich der griechischen ungefähr 400 Gedichte umfaßt, keine thematische Dimension hinzu. Die wissenschaftliche Vielseitigkeit seines Universitätshumanismus spiegelt sich in seinen Gedichten wider. Aus der Studie, die Reinhold F. Glei vor kurzem dem Dichter Melanchthon gewidmet hat, [10] hebe ich zwei einzelne Feststellungen hervor:
1. Melanchthon hat am häufigsten von allen Versmaßen das elegische Distichon verwendet.
2. Zahlreiche Gedichte weisen eine naturwissenschaftliche Thematik auf, bisweilen mit theologisierendem Zeigefinger.
Als Beispiel sei das zu seinem Lehrbuch über die Physik verfaßte Geleitgedicht De initiis doctrinae physicae genannt. [11] Melanchthons poetische Leistung hat eine unterschiedliche, manchmal eher negativ klingende Bewertung gefunden. Aber über jeden Zweifel erhaben ist sein Ruf als Kenner und Interpret der antiken Poesie und als unermüdlicher Anreger und Förderer einer neuen lateinischen Dichtung, die als erlernbar galt wie die Wissenschaften. Als Beispiele für besonders begabte Musenjünger aus der Schule Melanchthons, die ihren Meister in der Dichtung überflügelt haben, nennt Glei Georg Sabinus, Johannes Stigel und Simon Lemnius.
Erich Trunz hat in seinem immer noch lesenswerten Aufsatz über den deutschen Späthumanismus als Standeskultur [12] darauf hingewiesen, daß es im 16. Jahrhundert eine große Einheitlichkeit der Bildung bei allen Gelehrten gegeben hat und infolgedessen die Lebensläufe oft eine gewisse Übereinstimmung erkennen ließen. Bei manchen Studenten Melanchthons kann sich fast der Eindruck von Parallelviten aufdrängen: Herkunft aus einfachen sozialen Verhältnissen im bäuerlichen oder kleinstädtischen Milieu, die Reformation als Kindheitserlebnis und bleibender, lebensentscheidender Gesellschaftsfaktor, die reformierte Lateinschule am Ort als erste Begegnung mit einer höheren Welt und als Weichenstellung nach Wittenberg, Studium bei Melanchthon und erste poetische Veröffentlichungen, dann eine mehrjährige peregrinatio academica mit einem Medizinstudium an mehreren Universitäten in Deutschland, Frankreich und Italien und mit weiteren poetischen Publikationen, Abschluß des Medizinstudiums an einer französischen oder italienischen Universität, Berufung auf einen Lehrstuhl für Medizin, gesellschaftliche Reputation als Arzt und Dichter. Die exemplarische Skizze verdeutlicht die Unvergleichlichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs eines Gelehrtenlebens, das die starre Ständeordnung der Zeit durchbrach. Als Beispiele kann man die Biographien des Petrus Lotichius Secundus oder des Dänen Johannes Franciscus Ripensis, Hans Frandsen aus Ribe, anführen. Für Frandsen, um den es im folgenden geht, sind zunächst die individuellen Daten in die generelle Skizze einzufügen. Frandsen ist im Jahre 1532 in Ribe, einer Stadt in Westjütland, geboren. Im Alter von 19 Jahren hat er sein Studium an der Universität Wittenberg aufgenommen. Vom 15. Mai 1551, dem Tag der Immatrikulation, bis zum Abschluß mit dem Magistergrad, der auf den 27. Februar 1556 datiert ist, dauerte sein Wittenberger Aufenthalt. In diesen fünf Jahren hat er nicht nur in der Artistenfakultät studiert, sondern auch schon mit dem Medizinstudium begonnen. Der Magistergrad war, wie Leif Grane bemerkt hat, [13] für die Aufnahme eines Studiums in den oberen Fakultäten nicht vorausgesetzt. Ein Medizinstudium in Wittenberg bezeugt Frandsen selbst. In einer Elegie seines Carminum Liber von 1561, in der er auf seine akademischen Stationen zurückblickt und seine Universitätslehrer namentlich erwähnt, [14] gibt er als Wittenberger Lehrer Paul Eber und Caspar Peucer an. Caspar Peucer, Melanchthons Schwiegersohn und Mitarbeiter, gehörte damals auf jeden Fall der medizinischen Fakultät an. Für Paul Eber läßt sich zumindest so viel sagen, daß er "die Wittenberger Lectio de anima wahrnahm". [15] Für die Tätigkeit als Prinzenerzieher in Dänemark, die Frandsen in einer anderen Elegie des Carminum Liber bezeugt, [16] kommt am ehesten die Zeit nach dem Magistertermin in Frage. Aber schon im Jahre 1558 setzte Frandsen sein Medizinstudium in Frankfurt an der Oder fort. Von dort reiste er im Herbst desselben Jahres nach Heidelberg weiter, um Lotichius persönlich kennenzulernen, vielleicht auch, um bei ihm Medizin zu studieren. In die Zeit des Heidelbergaufenthalts fällt die Reise durch den Odenwald nach Würzburg, die Frandsen im Februar 1559 zusammen mit Lotichius unternahm. Diese Reise lieferte den Stoff für ein Hodoeporicon mit dem Titel Iter Francicum, [17] das im Carminum Liber abgedruckt ist und einen umfangreichen Nachruf auf den 1559 verstorbenen Dänenkönig Christian III. enthält. Bereits am 16. April 1559 verzeichnet die Matrikel Frandsen als Studenten an der Universität Tübingen. Frandsen erwähnt als seine dortigen Lehrer Fuchsius, Schegkius und Seccervitius. Von Tübingen führte ihn der Weg weiter nach Paris, wo er bei Gupillus [18] und Duretus studiert hat, und anschließend in den Süden nach Montpellier, wo er am 21. April 1560 immatrikuliert wurde. Hier hat er bei dem berühmten Mediziner Guillaume Rondelet studiert und noch im Jahre 1560 seinen medizinischen Doktorgrad erworben. [19] Die Rückreise nach Dänemark führte Frandsen über Lyon, wo er 1561 in der Offizin der Gryphius-Erben seinen Carminum Liber erscheinen ließ. Von 1561 bis zu seinem Tod am 4. Juli 1584 war Frandsen als Professor der Medizin an der Universität von Kopenhagen tätig. Sein Kollege, der Astronom, Alchemist, Pharmakologe und Astrologe Tycho Brahe, ein Mann, der in Vorlesungen und Briefen die lateinische Versdrechselei im Stile Melanchthons kritisiert und mit seinen eigenen Gedichten seit Georg Ellinger [20] viel Anerkennung gefunden hat, hat einen Nachruf in der Form einer Elegie auf Frandsen verfaßt, der in die von Thomas Bartholinus herausgegebene Cista Medica Hafniensis Eingang gefunden hat. [21] In der Überschrift tituliert Tycho Brahe Frandsen als Medicinae Galenicae Doctor, Poeta et Musicus.
In die Zeit seines Wittenberger Studienaufenthalts fallen drei Publikationen, die Frandsens Namen im Titelblatt angeben. Den Anfang macht 1553 der Einzeldruck mit dem in elegischen Distichen verfaßten Weihnachtsgedicht De natali Domini ac Salvatoris, 1554 folgt, mit zwei Titelblättern ausgestattet, Elegiarum Liber Primus und Epigrammaton Liber, ein Doppelbuch von Elegien und Epigrammen, die Freunden, Verwandten und Lehrern in Dänemark und Wittenberg gewidmet sind und u.a. ein weiteres Weihnachtsgedicht enthalten. Zwei Jahre später erscheint, wieder als Einzeldruck, De oculorum fabricatione et coloribus. Es ist die Schrift, mit der wir uns im folgenden eingehender befassen wollen. Den beiden Veröffentlichungen von 1554 und 1556 ist gemeinsam, daß sie in derselben Wittenberger Offizin erschienen sind und dem Kanzler des dänischen Königs, Johan Friis [22] , gewidmet sind, mit dem Melanchthon seit 1537 korrespondierte [23] und dem er seine Sorge um das dänische Schulwesen anvertraute.
In Frandsens Werk De oculorum fabricatione et coloribus tritt uns ein frühes, wenn nicht gar das früheste Lehrgedicht der neulateinischen Literatur Dänemarks entgegen. Inhaltlich ist es, wenn man die Einteilung von Walther Ludwig zugrunde legt, [24] der sechsten Gruppe zuzuordnen, in der sich die medizinisch-pharmakologischen Lehrgedichte befinden. Mit der Verwendung des elegischen Distichons steht es in ovidischer Tradition. Die Neubearbeitung des Companion to Neo-Latin Studies von Jozef IJsewijn und Dirk Sacré hebt Frandsens Lehrgedicht als "gutes Beispiel für die Darstellung einer naturwissenschaftlichen Thematik in distichischer Form" hervor. [25] Der Ophthalmologe Gordon Norrie hat Frandsens Text, der 183 Distichen umfaßt, ohne die Widmungsvorrede, aber ansonsten ungekürzt, mit Titel und den vier Zwischenüberschriften [26] , in den Acta Ophthalmologica abgedruckt. [27] Auf eine Übersetzung, Anmerkungen und ein Nachwort hat er allerdings verzichtet. So wirkt Frandsens Text, angekündigt mit den Worten "the first ophthalmological paper written by a Dane", wie ein medizingeschichtliches Kuriosum. Genau in der Mitte des Augengedichts steht der mit de partibus überschriebene Teil, der die Anatomie des Auges nach Galen behandelt. Den Anfang von de partibus unterziehen wir einer näheren Betrachtung:
Lumina suprema frontis cavitate locata
Officii praestant munera mille sui.
Vestivitque tribus natura liquoribus atque
Istud quintuplici tegmine texit opus.
5 Partibus est reliquis humor praestantior unus
Nomen Crystalli qui glacialis habet.
Hac ex qua splendet Crystallus parte videmus,
Primum depictum quem tibi Musa dabit.
Hic medias oculi partes sibi vindicat humor,
10 Cingentes reliquos sorte salutis habet.
Cumque queant cunctas hi non depellere sordes,
Obstant alterius ceu nocumenta mali.
Sunt data natura sollerti tegmina quina,
Ne laedant oculos aspera quaeque cavent.
15 Est quoque flexibilis veluti Crystallinus humor,
Ut queat impressam caera referre notam.
Albicat in media rutilat splendetque pupilla,
Ut melius species quasque referre queat,
Candida ceu varios capiunt crystalla colores,
20 Propositae et referunt corpora quaeque rei.
Hic humor tanto quandoque nitore refulget,
Ut fulgens extra lumina splendor eat.
Noctivagae feles quoque sunt animantia plura
Testes, quae caeca nocte videre queunt.
25 Hic quod prima liquor praebet primordia visus,
Omnibus est doctis res bene nota viris.
Firmior in toto pars est nam lumine nulla,
Clarior in reliquis nec magis ulla nitet.
Pervenit ex clara firma quoque visio parte,
30 Illa cur visum parte venire neges?
Est alius vitro similis quoque desuper humor,
Hunc omni cingunt undique parte locum.
Vitreus at [28] numquam Crystalli more refulget,
Naturae mediae semina certa sapit.
35 Inseritur vitreo prorsus Crystallinus auro,
Ut quando geritur lucida gemma novo.
Hunc usum vitreo tribuit natura liquori,
Hic reliquis et plus partibus ignis habet.
Ut vicina suo refocillet membra calore,
40 Innatae quae plus frigiditatis habent.
Ordine iam sequitur postremo tertius humor,
Illius nomen frigida Lympha facit.
Luminis humani partes hic irrigat omnes,
Ne premeret nimius lumina forte calor.
45 Huic praeclara suas coniungit aranea partes
Atque suum iungit cornea dura latus.
Übersetzung: (1) Die Augen liegen in der obersten Stirnhöhlung. Sie leisten tausend Dienste ihres Aufgabenbereichs. Die Natur hat dieses Sinnesorgan mit dreierlei Flüssigkeiten ausgestattet und mit einer fünffachen Hülle bedeckt. (5) Eine Flüssigkeit überragt alle anderen Teile. Sie heißt eisiger Kristall. Mit eben dem Augenteil, aus dem der Kristall leuchtet, sehen wir. Von diesem Kristall wird dir die Muse zuerst eine Beschreibung geben. Diese Flüssigkeit beansprucht die Mitte des Auges für sich, (10) die anderen Flüssigkeiten hat sie um sich herum zu ihrem Schutz. Und weil diese nicht allen Schmutz fernhalten können, drohen gleichsam Schädigungen eines anderen (= von außen kommenden?) Übels. Von der erfindungsreichen Natur sind fünf Hüllen verliehen worden. Diese hindern alles Rauhe daran, die Augen zu verletzen. (15) Die kristalline Flüssigkeit ist auch geschmeidig, damit sie ein eingedrücktes Mal festhalten kann wie Wachs. Sie leuchtet weiß und rot und strahlt mitten im Augapfel, damit sie alle Erscheinungen besser widerspiegeln kann. Der helleuchtende Kristall nimmt gewissermaßen bunte Farben an (20) und spiegelt alle Materie eines in den Blick tretenden Objekts wider. Zuweilen leuchtet diese Flüssigkeit mit so starker Helligkeit auf, daß der strahlende Schein aus den Augen heraustritt. Das bezeugen die Katzen, die in der Nacht umherschweifen, und noch mehr Tiere, die in finsterer Nacht sehen können. (25) Weil diese Flüssigkeit den Urbeginn des Sehvorgangs gewährt, ist der Sachverhalt allen Gelehrten wohlbekannt. Denn fester ist im ganzen Auge kein Teil, keiner leuchtet in den anderen heller und stärker. Aus dem hellen und festen Teil kommt die Sehkraft. (30) Warum willst du bestreiten, daß das Sehen aus jenem Teil kommt? Darüber befindet sich eine andere, glasähnliche Flüssigkeit. Diesen Ort umgeben sie (= die anderen Flüssigkeiten?) ringsum von allen Seiten. Aber niemals leuchtet die gläserne Flüssigkeit wie der Kristall. Sie fühlt sich an wie der feste Stoff in der Organmitte. (35) Ganz und gar eingeschlossen ist die kristalline Flüssigkeit in die gläserne, wie bisweilen ein leuchtender Edelstein in frisches Gold eingefaßt wird. Diesen Nutzen hat die Natur der gläsernen Flüssigkeit verliehen. Diese Flüssigkeit hat auch mehr Glut als die übrigen Teile, damit sie die benachbarten Glieder mit ihrer Wärme wieder belebt, (40) die mehr angeborene Kälte aufweisen. Der Reihe nach schließt sich jetzt zum Schluß die dritte Flüssigkeit an. Kaltes Wasser gibt ihr den Namen. Diese Flüssigkeit hält alle Teile des menschlichen Auges feucht, damit nicht vielleicht zu große Wärme den Augen zusetzt. (45) An diese schließt sich auf der einen Seite die glänzende Aderhaut und auf der anderen Seite die harte Hornhaut an.
Mit den Versen 45f geht Frandsen zu den 5 Augenhäuten über, auf die er schon in seiner Übersicht am Anfang hingewiesen hatte. Diese können hier außer Betracht bleiben, weil sie das Gesamtbild, zu dem wir jetzt kommen, nur bestätigen würden.
Nach einer bekannten Feststellung Ciceros kann ein Laie allein mit Gestaltungsmöglichkeiten der Dichtung - poetica quadam facultate - jeden Stoff behandeln, sogar wenn er spröde und unpoetisch ist. Cicero verweist dafür auf die hellenistischen Beispiele Arat und Nikander. [29] Zwischen dem Lehrgedicht eines Laien im Sinne Ciceros und dem Lehrgedicht eines Fachmanns und Gelehrten muß man, wenn man an Frandsen denkt, noch eine dritte Art ansetzen: das Lehrgedicht eines Lernenden. Frandsen mag es gereizt haben, als Mediziner über ein medizinisches Thema zu dichten. Auffällig ist daran nur, daß er sein Lehrgedicht in den Anfängen seines Medizinstudiums geschrieben hat, als er sich in Melanchthons Lehrbuch der Medizin vertiefen mußte. Frandsen hat gezeigt, daß man sogar aus einem Lehrbuch Dichtung machen kann. Er hat das Kapitel Oculi aus De anima als Stoffvorlage gewählt, wie ein Textvergleich zeigt. Frandsens Disposition - drei Flüssigkeiten, fünf Häute - folgt dem Lehrbuchschema, nur in umgekehrter Reihenfolge, d.h. mit dem rhetorischen Effekt einer Antiklimax. Er behandelt nämlich erst die Flüssigkeiten und dann die Häute. Und bei den Flüssigkeiten wiederum steht der Crystallinus humor mit einer 16 Verse langen Partie am Anfang (V.15-30). Dann folgt mit 10 Versen der vitreus humor (V.31-40). Den Abschluß bildet die frigida Lympha mit 6 Versen (V.41-46). Letztere entspricht dem Aqueus bei Melanchthon. Frandsens Termini sind teils identisch mit denen des Lehrbuchs, z.B. humor, teils handelt es sich um poetischere Synonyme: tegmen (V.4/13) ersetzt tunica. Drei Vergleiche sind aus dem Lehrbuch übernommen: der Wachsvergleich (V.16), der Vergleich mit den Katzen und ihren "Scheinwerferaugen" (V.23f) und der Edelsteinvergleich (V.36). Referre (V.18), das Verb für die Lichtreflexion, korreliert mit Melanchthons Substantiv speculum.
Frandsen hat einen Prosawortlaut versifiziert und ihm dabei zugleich einen Überwurf aus sprachlicher Fülle und theologischer Sinndeutung verliehen. Für letzteres ist die sollers natura ein eindeutiges Beispiel. Die organisierende Instanz der natura und das Attribut sollers (V.13) entstammen der stoischen providentia-These aus der Balbusrede in Ciceros Schrift De natura deorum, wo Balbus sagt: haec omnia esse opera providae sollertisque naturae (2,128). Luther, der eine fast liebevoll zu nennende Zuneigung zu Cicero empfunden hat, hat in den Tischreden [30] zum Ausdruck gebracht, wie sehr ihm gerade die Balbusrede zu Herzen gegangen ist. Es lag also für Frandsen sehr nahe, auf die schon lange zuvor christlich gedeutete Cicerostelle anzuspielen. Dies um so mehr, weil das Auge in seiner nur scheinbar verständlichen Beschreibung geheimnisumwittert bleibt und bleiben mußte. Denn die Ophthalmologie der griechischen Medizin von Hippokrates bis Galen und der Renaissance konnte den Mechanismus des Sehvorgangs noch nicht erklären. [31] Dieser wurde bekanntlich erst mit den modernen Lichttheorien und der Dioptrik verstehbar. Der mysteriöse Charakter des Auges schlägt Frandsen in seinen Bann. In der Vorrede spricht er davon, daß das Auge ein Wunder und ein Mysterium darstelle, und bezeichnet es mit Galen als göttliches Organ, weil es über die Betrachtung des Himmels und der ganzen Schöpfung zur Erkenntnis Gottes führe. An einem göttlichen Organ besitzt natürlich alles höchste Aussagekraft. So auch die Farben der Augen, die nur beim Menschen individuelle Unterschiede aufweisen. Von den differierenden Augenfarben handelt der letzte und bei weitem umfangreichste Abschnitt des Lehrgedichts. Die Polychromie beschäftigt Frandsen nur unter dem Gesichtspunkt der Psychographie. Ein Laternengleichnis, das bei Empedokles [32] einzig dazu diente, die Struktur des Auges zu veranschaulichen, [33] eröffnet bei Frandsen eine Lektion über humanistische Psychologie. "Unsere Augen", so schreibt er, "sind wie leuchtende Laternen, die ein buntes Bild des Geistes vermitteln." [34] Um blaue Augen ist man nicht zu beneiden. Von Glück können vielmehr die reden, deren Augenfarbe zwischen grün und gelb schwankt. Denn diese Ziegenäugigkeit (caprini ocelli) zeigt hohe Tugendhaftigkeit und hohe Intelligenz an, und das sehr im Unterschied zur Schafsäugigkeit. Der physiologischen Begründung der Polychromie geht Frandsen nicht nach, ebensowenig interessiert ihn die Ophthalmopathologie und -therapie. Die spekulativen Seiten seiner Augenkunde bilden einen Rahmen aus Theologie und humanistischer Ethik, die in einer Farbenlehre kulminiert.
Im Zentrum aber steht die Anatomie des Auges, die oculorum fabricatio nach Melanchthons Lehrbuch der Medizin. Die Frage nach einem weiteren Zusammenhang dieses Sachverhalts führt in das kulturgeschichtlich interessante Gebiet der vielseitigen Verwendbarkeit von wirkungsmächtigen Lehrbuchklassikern. Jürgen Leonhardt hat für ein Exemplar von De anima in der Rostocker Bibliothek nachgewiesen, daß es in die Vorlesungen mitgenommen und als Kollegheft benutzt worden ist. [35] Ein Rostocker Student namens Franciscus Celius hat sich in ihm 1599 mit Zeichnungen und Kollegeinträgen verewigt, die sich u.a. auf eine Leichensezierung beziehen und anatomische Abnormitäten festhalten. Frandsen wiederum hat ein medizinisches Teilgebiet in Dichtung transponiert. Und dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Der Prager Gräzist Sebastian Aerichalcus, auch er ein Melanchthonschüler, hat nach der Übernahme seines Amtes 792 Hexameter über die Beschreibung der Affekte in De anima gedichtet, auf die Quelle aber im Titelblatt hingewiesen. Der Titel lautet: Descriptiones affectuum quae exstant in libello de anima, versibus heroicis comprehensae a Sebastiano Aerichalco. Die versifizierten Affektbeschreibungen von Aerichalcus sind um 1546 erschienen. [36] Bei Aerichalcus und Frandsen wird eine für Melanchthon charakteristische Erscheinungsform der Verquickung von Wissenschaft und Dichtung greifbar. Verglichen damit ist es als bloße Humanistenkonvention anzusehen, wenn sowohl Lotichius als auch Frandsen für naturwissenschaftliche Bücher ihres Medizinprofessors Rondelet in Montpellier Epigramme beigesteuert haben, Lotichius für das Buch über Meeresfische, Frandsen für das Buch über medizinische Waagen. [37] Solche Beigaben dienen als literarische Arabesken, sie beschreiben nur eine äußere Annäherung von Wissenschaft und Dichtung. Hingegen ist in der ganzheitlichen Pädagogik Melanchthons der aktiven Schreibkompetenz die erzieherisch wertvolle und intellektschärfende Aufgabe einer vollen Bewußtmachung und Sensibilisierung für fremde Texte und diffizile Lehrstoffe zugedacht. Über einen vierfachen Nutzen teils sprachlich-ästhetischer, teils moralisch-ethischer Art hat sich Melanchthon in seinem Quintilian-Kommentar geäußert. [38] Im Sinne Melanchthons ist also das medizinische Lehrgedicht von Frandsen weniger ein Lehrgedicht als ein "Lerngedicht".
Auch unter dem medizingeschichtlichen Gesichtspunkt des aufkommenden Vesalismus verdient Frandsens Gedicht Beachtung. Man kann sich fragen, ob Frandsens Fabricatio in irgendeiner Weise von den Fortschritten in der Anatomie und Vesals Fabrica beeinflußt ist. Die Situation der Wittenberger Medizin läßt sich folgendermaßen umreißen: "Luther entläßt", um Richard Toellner zu zitieren, "die Wissenschaften in die Neutralität des theologischen Desinteresses." [39] Er hat auch die Medizin sich selbst überlassen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts blickte die anatomische Forschung in Wittenberg bereits auf eine 30jährige Praxis zurück. An ihrem Anfang steht die berühmte Kopfanatomie des Jahres 1526 von Augustin Schurff. Als dann 1543 das epochemachende Werk des Andreas Vesalius De humani corporis fabrica, in welchem Vesal über 200 Fehler Galens nachweist, in Basel erschien, stand man diesem in Wittenberg von Anfang an aufgeschlossen gegenüber, was nicht selbstverständlich war, wenn man bedenkt, daß sein eigener Lehrer, Jacob Sylvius, Vesalius als Vesanus geschmäht hatte. [40] Als sich die Erkenntnis verbreitete, daß Galen eine Schweine-, Hunde- und Affenanatomie, aber keine Humananatomie bietet, setzte ein Umdenken ein, das auch in De anima Spuren hinterlassen hat. In der Neuauflage, die unter dem Titel Liber de anima 1552 erschien, neun Jahre nach dem Erscheinen der Fabrica, legte Melanchthon eine zweite Fassung seines Lehrbuchs, das zuvor Commentarius de anima betitelt war, mit einer radikalen Überarbeitung der anatomischen Kapitel vor. [41] Seinen großen Respekt für Vesal bringt Melanchthon überdies dadurch zum Ausdruck, daß er in der Widmungsvorrede ein Preisepigramm seines Schülers Paul Eber auf Vesal vollständig zitiert, dessen Übersetzung folgendermaßen lautet: "Wie der Mond in der Nacht, wenn er das Rund mit dem Licht des Bruders erfüllt hat, die anderen Sterne an Helligkeit zu übertreffen pflegt, genauso weit übertrifft Vesals Buch alle anderen, die lehren, mit welcher Kunst die Körper eingerichtet sind." [42] Bei der Überarbeitung seines Lehrbuchs, mit der in Wittenberg die Vesalrezeption einsetzt und die Vesalkritik an Galen sich Bahn bricht, haben Melanchthon nach seinen eigenen Worten die mit ihm befreundeten Mediziner Jakob Milich und Caspar Peucer unterstützt. [43] Als Beispiel für die Form der Einarbeitung der neuen Erkenntnisse diene eine den Kopf betreffende Neuentdeckung Vesals. Der Satz, der dem Augenkapitel unmittelbar vorausgeht, lautet, ohne daß Vesals Name genannt wird: "Aber dieses besondere Gewebe" - gemeint ist das zuvor erwähnte Gewebe, das die Araber Rete mirabile genannt haben - "existiert im Kopf des Menschen gar nicht, sagt man." [44] Jürgen Helm hat gezeigt, welche Auswirkungen diese Galenkorrektur für die Lehre von den spiritus haben mußte und wie sich Melanchthon hier beholfen hat. [45] Um nun zu der Lektion über die Augen und die späteren Ausführungen über den Sehvorgang [46] zu kommen, so ist zunächst einmal zu konstatieren, daß die Ophthalmologie in der Sache nicht von Vesal beeinflußt ist und somit auch Frandsens Lehrgedicht nicht. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß Frandsens auf Galen basierende Ophthalmologie in einem bereits vesalisch geprägten Umfeld entstanden ist. Und das kommt auch sprachlich zum Ausdruck. Der Titelbegriff fabricatio wurde zwar schon von Melanchthon für die anatomische Struktur des Auges gebraucht, aber erst in der überarbeiteten Fassung des Liber de anima. An einer Stelle, an der im Commentarius de anima der Begriff compositio gestanden hatte, [47] gebrauchte Melanchthon 1552 den an Vesal anklingenden Begriff fabricatio. Bei Melanchthon und Frandsen zitiert somit fabricatio die Fabrica Vesals. Die Wittenberger Vesalrezeption soll abschließend an dem folgenden Beispiel für Medizintransmission nach Skandinavien illustriert werden: Das Geschenk, das der Schwede Nicolai Arbogensis, der spätere Bischof von Västeras, kurz vor dem Tode Melanchthons anläßlich seiner Magisterpromotion erhalten hat, war ein Prachtband von Vesals Fabrica [48] : im Innern, wie bekannt, die prächtigen Illustrationen der 14 Muskelmänner und 3 Skelette, die Marielene Putscher [49] als ein Werk Tizians ansieht; und auf dem Einband die Bilder von Luther und Melanchthon: ein sinnfälliger Direktimport italienischer Renaissance nach Skandinavien mit dem Stempel von Wittenberg.
Zum Abschluß ein Blick auf die historischen Rahmenbedingungen für die an Frandsens Vita und Werk zutage tretenden dänisch-deutschen Kultur-und Literaturkontakte. Frandsens poetische Publikationen fallen in die zweite der von Leif Grane angesetzten drei Phasen des Humanismus in Dänemark. [50] Es handelt sich um die Aufbauphase nach der Reformation 1536 bis etwa 1560. Nachdem Christian III. mit Hilfe deutscher Landsknechte sein Land erobert und die Reformation Einzug in Dänemark gehalten hatte, war für den grundlegenden Neuanfang im kirchlichen Raum und im Schulsystem, das Latein als Pflichtsprache eingeführt hatte, die Sicherstellung des Bedarfs an Pfarrern und Lehrern zu einer Staatsaufgabe geworden, für die die Mitwirkung vor allem der Universität Wittenberg unverzichtbar war, weil die erst 1537 als evangelisch-lutherische Hochschule wiedereröffnete und nach Melanchthons Modell neugeordnete Universität Kopenhagen in den ersten Jahren für eine landesweit ausreichende akademische Ausbildung ausfiel. Wie allein schon die umfangreiche Korrespondenz zwischen Melanchthon und Christian III., der obersten Autorität der Kirche und der Schule in Dänemark, zu veranschaulichen vermag, [51] waren von Anfang an auf höchster Ebene die Kontakte geknüpft, die dazu führten, daß im 16. Jahrhundert viele hundert Studenten allein aus Dänemark nach Wittenberg kamen, die hier Melanchthon als Theologen, Wissenschaftsorganisator, Interpreten der antiken Literatur und nicht zuletzt auch als einen Lehrer kennenlernten, der mit eigenen Dichtungen hervortrat und seine Studenten zum Dichten anleitete, und dies um so mehr, je älter er wurde. So brachte er auch in einigen Dänen die poetische Saite zum Klingen. Es waren dies außer Hans Frandsen besonders der mit ihm befreundete Hans Joergensen Sadolin (1528-ca.1600) [52] und Erasmus Laetus (1526-1582) [53] , eine etwa von 1550 an publizierende Dichtergruppe neuen Stils, die ziemlich nahe am Anfang der lateinsprachigen Epoche der dänischen Literatur steht. Das Zusammenwirken von königlicher Förderung aus Gründen des nationalen Prestiges und Förderung vonseiten des einflußreichen Melanchthon eröffnete beispielhafte Karrieren. Für die Finanzierung des Studiums, die im Falle von Frandsen von Melanchthon beim königlichen Kanzler Johan Friis beantragt worden war, wie wir aus einem erhaltenen Empfehlungsschreiben Melanchthons wissen, [54] und die damals allgemein nicht unüblich war, [55] erwies sich der Geförderte mit der oben schon erwähnten Dedikation seiner poetischen Veröffentlichungen von 1554 und 1556 an Johan Friis erkenntlich. Weil die Wittenberger Drucke junger Dänen mit ihrer Reverenz vor hohen dänischen Würdenträgern, mit ihrer Dokumentation von Todesfällen, Hochzeiten, Festen, Freundschaften, Reisen und internationalen Begegnungen und mit ihrer Beschreibung von dänischen Lokalitäten wie z.B. der idyllischen Stadt Ribe einem breiten Interesse der führenden Gesellschaftskreise und des Königshofes entsprachen, konnte die finanzielle Unterstützung vonseiten des Königs auch von längerer Dauer sein und sich auch auf die grand tour erstrecken. Bei Frandsen erscheint am Ende seiner Reise der Carminum Liber mit einer Dedikation an seinen Patron, den seit 1559 regierenden König Frederik II.
Für den Einfluß Melanchthons auf die religiöse, kulturelle und intellektuelle Entwicklung in Dänemark und anschließend auch in den anderen skandinavischen Ländern hat Pernille Harsting den Begriff "Melanchthonismus" verwendet. [56] Ein paar Ausprägungen des Melanchthonismus in der neulateinischen Dichtung, die alle auch bei Frandsen nachweisbar sind, sollen zum Schluß aufgezählt werden: 1. Erotische Themen werden gemieden. 2. Eine erotische Vermeidungsgestik tritt sogar an Stellen in Erscheinung, wo man Erotik gar nicht erwartet hätte. Non habet hoc Veneris lascivos carmen amores: so beteuert Frandsen in seinem Lehrgedicht über die Augen. 3. In den Epithalamien spielt das Keuschheitsmotiv eine große Rolle. Harsting hat herausgefunden, daß der Anfang und Schluß von Frandsens Epithalamium für Martin Themmius und seine Braut Dorothea wörtliche Zitate aus Melanchthon-Epigrammen sind, die die castitas als göttlich und von Gott gewollt bezeichnen. Die castitas, der Melanchthon das Wort redet, ist die Keuschheit in der Ehe, nicht ohne die Ehe. Den Bischof von Winchester, Stephen Gardiner, der mit Berufung auf die castitas den Zölibat gegen die Ehe hatte ausspielen wollen, attackiert der sonst eher milde Melanchthon mit einer gepfefferten Invektive. [57] 4. Mit auffälliger Häufigkeit haben die Schüler Melanchthons das Thema der Geburt Jesu bearbeitet. Frandsen, Lotichius und andere haben große Weihnachtsgedichte geschrieben, in denen man ein poetisches Pendant zu einer Rede Melanchthons aus dem Jahre 1552 über dasselbe Thema - de nativitate Christi - sehen kann. 5. In formaler Hinsicht ist die bevorzugte Anwendung des elegischen Distichons bei Frandsen und anderen mit dem Vorbild Melanchthons zu erklären.
Wir lassen es bei diesen Charakteristika bewenden. Sie sind ein beredter Ausdruck dafür, wie sehr Frandsen und andere an den Lippen ihres Meisters hingen. Die Musen, die sie aus Wittenberg nach Dänemark mitbrachten, unterschieden sich, wie Minna Skafte Jensen sehr schön gezeigt hat, [58] deutlich von den vorreformatorischen Musen, die Celtis aus Italien nach Deutschland gebracht hatte: Das Wissen der Musen war jetzt größer, ihr Latein klassischer. Nur ihr äußeres Erscheinungsbild war etwas ältlich und anämisch geworden.
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[1] G. Frank u. S. Rhein (Hgg.), Melanchthon und die Naturwissenschaften seiner Zeit (Melanchthon-Schriften der Stadt Bretten, hrsg. von S. Rhein und H. Scheible, Band 4), Sigmaringen 1998 (enthält 3 Beiträge über das Verhältnis von Melanchthon zur Medizin von W.U. Eckart, T. Koch und J. Helm).
[2] [2] D. Wuttke, Renaissance-Humanismus und Naturwissenschaft in Deutschland. In: Gymnasium 97, 1990, S.251.
[3] Aufgelistet bei W. U. Eckart, Philipp Melanchthon und die Medizin. In: G. Frank und S. Rhein, Melanchthon und die Naturwissenschaften seiner Zeit, Sigmaringen 1998, S.184f.
[4] R. Toellner, Die medizinischen Fakultäten unter dem Einfluß der Reformation. In: Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 5, 1984, S.291.
[5] De corrigendis adulescentiae studiis (in: Melanchthons Werke in Auswahl, Bd.3: Humanistische Schriften, hrsg. v. R. Nürnberger, 2. Aufl. Gütersloh 1969, S.30ff.).
[6] M.Fuhrmann, Latein und Europa. Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland von Karl dem Großen bis Wilhelm II., Köln 2001, S.50.
[7] Erschienen in Orientierung, Schriftenreihe zur Lehrerfortbildung, Heft 10, Aachen 1983.
[8] U. Frings, a.O. S.23ff.
[9] U. Frings, a.O. S.32ff.
[10] R. F. Glei, Multa sit in versu cura laborque meo. Melanchthon als Dichter. In: G. Binder (Hg.), Philipp Melanchthon. Exemplarische Aspekte seines Humanismus (Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium, Band 32), S.143-170.
[11] Siehe R. F. Glei, a.O. S.157f. (CR X,539, Gedicht Nr.114).
[12] E. Trunz, Der deutsche Späthumanismus um 1600 als Standeskultur, Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts 21, 1931, Heft 1, S.17-53.
[13] L. Grane, Studia humanitatis und Theologie an den Universitäten Wittenberg und Kopenhagen im 16. Jahrhundert: komparative Überlegungen. In: G. Keil, B. Moeller und W. Trusen (Hgg.), Der Humanismus und die oberen Fakultäten (Mitteilungen XIV der Kommission für Humanismusforschung), Weinheim 1987, S.85.
[14] Ad D. Iacobum Dalechampium, S.45-47 (abgedruckt in: Thomas Bartholinus, Cista Medica Hafniensis, Kopenhagen 1662, S.75f).
[15] H.-Th. Koch, Melanchthon und die Vesal-Rezeption in Wittenberg. In: G. Frank und S. Rhein (Hgg.), Melanchthon und die Naturwissenschaften seiner Zeit, Sigmaringen 1998, S.212.
[16] Ad carmina clariss. virorum, Doct. Ioan. Maioris, P.L.M. Ioan. Schosseri, P.L.M. Io. Cheselii et M. Ionae Tintenii, quibus ipsum Witeberga discedentem prosecuti sunt, responsio. Von seiner Tätigkeit als Prinzenerzieher in Dänemark spricht Frandsen dort S.69 oben.
[17] Zu diesem siehe H. Wiegand, Das Iter Francicum des Dänen Johannes Franciscus Ripensis (Hans Frandsen). Eine poetische Odenwaldreise im Jahr 1559. In: Ders., Der zweigipflige Musenberg. Studien zum Humanismus in der Kurpfalz (Rhein-Neckar-Kreis Hist. Schriften Bd.2), S.91-101.
[18] Jaques Goupyl (1524-1564), s. H. Wiegand a.O. S.100, Anm.8.
[19] S. Zon, Petrus Lotichius Secundus. Neo-Latin Poet, Bern-Frankfort on the Main-New York 1983, s.355, Anm.40.
[20] G. Ellinger, Tycho de Brahe als lateinischer Dichter. In: Festgabe der Gesellschaft für Dt. Literatur zum 70. Geburtstag von M. Herrmann, Berlin 1935, S.9-18. P. Zeeberg, Alchemy, Astrology and Ovid - A Love Poem by Tycho Brahe. In: ACNH, 1994, 997-1007.
[21] B. Coppel, Johannes Franciscus Ripensis und Petrus Lotichius Secundus. Die poetischen Zeugnisse einer humanistischen Freundschaft. In: ACNH, 1994, S.329, Anm.20.
[22] Minna Skafte Jensen, Denmark. The 16th century. In: Dies. (Hg.), A History of Nordic Neo-Latin Literature, Odense 1995, 24.
[23] CR IV, 1048f.
[24] W. Ludwig, Neulateinische Lehrgedichte und Vergils Georgica. In: Ders., Litterae Neolatinae, München 1989, S.106.
[25] J. IJsewijn / D. Sacré, Companion to Neo-Latin Studies, Part II, Leuven 1998, 41.
[26] de situ, de partibus, de forma et figura, de coloribus.
[27] G. Norrie, Johannes Franciscus: De oculorum fabricatione et coloribus, 1556. In: Acta Ophthalmologica 5, 1927, 267-276.
[28] verändert aus überliefertem aut.
[29] Cicero, de oratore 1,69.
[30] 73,20.
[31] Siehe C. M. Oser-Grote, Das Auge und der Sehvorgang nach Aristoteles und der hippokratischen Schrift De carnibus. In: W. Kullmann und S. Föllinger (Hgg.), Aristotelische Biologie. Intentionen, Methoden, Ergebnisse. Stuttgart 1997, S.333-349.
[32] VS 31 B 84.
[33] C. M. Oser-Grote a.O. S.343.
[34] Lumina splendentes nam sunt ceu nostra lucernae, picta velut per quas mentis imago datur.
[35] J. Leonhardt, Melanchthon als Verfasser von Lehrbüchern. In: R. Friedrich und K. A. Vogel (Hgg.), 500 Jahre Philipp Melanchthon (Pirckheimer Jahrbuch für Renaissance- und Humanismusforschung, Band 13), Wiesbaden 1998, S.26-41, bes. S.41.
[36] H.-Th. Koch a.O. S.213.
[37] Lotichius, carm. 3,29 (In Gulielmi Rondeleti medici Historiam piscium). Frandsen, Carminum Liber S.24f. (Ad D. Gulielmum Rondeletium praeceptorem in lib. de Ponderibus).
[38] CR XVII, 651ff. Siehe S. Rhein, Johannes Stigel (1515-1562). Dichtung im Umkreis Melanchthons. In: H. Scheible (Hg.), Melanchthon in seinen Schülern, Wiesbaden 1997, S.31-49.
[39] R. Toellner a.O. S.296.
[40] Gegen die Schmähungen verteidigte ihn Renatus Henerus, ein aus dem Freundeskreis des Lotichius bekannter Mediziner, mit seiner 1555 in Venedig erschienenen Schrift: Adversus J. Sylvii depulsionum anatomicarum calumnias, pro A. Vesalio apologia.
[41] W. U. Eckart a.O. S.195.
[42] Liber de anima, 5v: Quantum nocte alias stellas, cum lumine fratris / orbem complevit, vincere luna solet, // Vesalii tantum reliquis liber anteit unus, / corpora qui qua sint condita ab arte docent. // Das Epigramm ist zitiert bei W. U. Eckart a.O. S.196.
[43] Liber de anima, 5v. Siehe W. U. Eckart a.O. S.195.
[44] Sed in capite hominis hunc insignem contextum negant esse (CR XIII,72).
[45] J. Helm, Die "spiritus" in der medizinischen Tradition und in Melanchthons "Liber de anima". In: G. Frank und S. Rhein (Hgg.), Melanchthon und die Naturwissenschaften seiner Zeit, Sigmaringen 1998, S.228ff.
[46] CR XIII,108-111.
[47] Commentarius de anima, Vitebergae 1542, 68r (K4r).
[48] H.-Th. Koch a.O. S.213.
[49] M. Putscher, Ein Totentanz von Tizian. Die 17 großen Holzschnitte zur Fabrica Vesals (1538-1542). In: W. Göpfert und H. H. Otten (Hgg.), Metanoeite. Wandelt euch durch neues Denken. Festschrift für Professor Hans Schadewaldt zur Vollendung des 60. Lebensjahres, Düsseldorf 1983, S.23-40.
[50] L. Grane, Späthumanismus in Dänemark. In: G. Kauffmann (Hg.), Die Renaissance im Blick der Nationen Europas (Wolfenbütteler Abh. zur Renaissanceforschung, Band 9), Wiesbaden 1991, S.279.
[51] 38 Briefe im CR V-IX.
[52] Minna Skafte Jensen, Hans Joergensen Sadolin (1528/29 - ca.1600) und die zeitgenössische lateinische Dichtung Dänemarks. In: Wolfenbütteler Beiträge 8, 1988, S.31-46.
[53] Minna Skafte Jensen, Latin Bucolic Poetry in 16th Century Denmark. In: ACNG, S.269-275.
[54] Kirkehist. Samlinger 6, 1966, 193f.
[55] L. Grane, Studia humanitatis an den Universitäten Wittenberg und Kopenhagen im 16. Jahrhundert: komparative Überlegungen; a.O. S.93.
[56] P. Harsting, From Melanchthonism to Mannerism: The Development of the Neo-Latin Wedding Poem in the 16th Century Denmark. In: Th. Haye (Hg.), Humanismus im Norden. Frühneuzeitliche Rezeption antiker Kultur und Literatur an Nord- und Ostsee. Chloe (Beihefte zum Daphnis) 32, 2000, 289-318.
[57] In Wintoniensem defensorem caelibatus (Gedicht Nr.189, CR X,576f.), siehe R. F. Glei a.O. S.152f.
[58] Minna Skafte Jensen, Melanchthon, the Muses and Denmark. In: J. R. Brink and W. F. Gentrup, Renaissance Culture in Context: Theory and Practice, Cambridge 1993, 139.
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Autor (author): Bernhard Coppel
Dokument erstellt (document created): 2002-08-13
Dokument geändert (last update): 2002-08-20
WWW-Redaktion (conversion into HTML): Manuela Kahle & Stephan Halder